Was hat Yin und Yang mit Medizin zu tun?

Das Konzept der gegensätzlichen Prinzipien Yin und Yang bietet eine Systematisierung aller Dinge und Erschein- ungen. Alles, was ist, manifestiert sich zwischen diesen beiden extremsten Polen und kann so innerhalb dieses korrelativen Systems eingeordnet und vernetzt werden.
Dieser systemische Denkstil ermöglicht es, komplexe Prozesse, wie sie im im menschlichem Organismus ablaufen, nicht nur im Nachhinein zu deuten, sondern auch vorausschauend, also präventiv in ihrer Dynamik zu beeinflussen.

Yang symbolisiert das heiße, helle, leichte, feinstoffliche, aufsteigende, sich ausdehnende und extrovertierte Prinzip, während Yin eher kalt, dunkel, schwer, materiell, absinkend, sich zusammenziehend und introvertiert ist.
Diese Aufzählung ist endlos fortsetzbar und wäre doch nur eine grobe Annäherung. Jede Eigenschaft hat ihr Gegenteil und bildet mit ihm eine Einheit.

Mit Yin und Yang werden Relationen ausgedrückt.
Es geht darum, Dinge und Phänomene miteinander in Korrelation zu bringen, d.h. zueinander in Beziehung zu setzen. Je mehr Zusammenhänge man dabei zu erkennen vermag, je mehr Variablen im Spiel sind, umso umfasssender und weitreichender sind die damit zu treffenden Aussagen.
Es gibt dabei keine fixe Etikettierung einer Sache als entweder Yin oder Yang: Verglichen mit Eis ist Leitungswasser Yang (heißer), verglichen mit kochendem Wasser ist es Yin (kälter).

Alles Existierende enthält sowohl Yin- als auch Yang- Aspekte. Die fortwährende Wandlung, der fließende Austausch zwischen diesen Polen bringt das Leben mit all seinen Facetten und Phänomenen hervor. Erhitzen und beschleunigen sich z.B. körperliche oder geistige Prozesse (Yang) oder erkalten und erstarren sie (Yin), werden Reserven zerstreut oder stagnieren und verklumpen sie?

Auf der Grundlage von Yin und Yang gibt es ausgefeilte diagnostische Konzepte, wie das der 5 Wandlungs- phasen ("5 Elemente") oder der 6 Schichten, die das grobe Bild verfeinern. Beim Menschen versucht man damit zu erkennen, wo das gesunde Gleichgewicht verlassen wird, um so frühzeitig die Dynamik einer Krankheit in ihrer Richtung erfassen und korrigieren zu können.
Körper und Geist werden dabei immer als eng verwobene, sich gegenseitig bedingende Einheit gesehen.

Neben einer detaillierten Analyse der einzelnen Beschwerden geht es vor allem darum, diese zueinander in Kontext zu setzen, Zusammenhänge zwischen den verschiedenen, auf den ersten Blick eventuell voneinander unabhängigen Störungen zu erkennen. Dies erfordert ein gründliches Erstgespräch mit Zungen- und Pulsdiagnose.

Das Aufspüren tiefliegender konstitutioneller Krankheitsmechanismen ist eine große Stärke der chinesischen Medizin. Man spricht hierbei von den Zweigen, d.h. den verschiedenen Symptomen, und der Wurzel, also der Ursache einer Erkrankung.
Der Lebensführung und den Lebensumständen wird dabei eine große Bedeutung beigemessen, genau wie man das Gedeihen einer Pflanze nur schwer ohne Wissen über das Klima und die Beschaffenheit des Bodens, in dem sie wächst, beurteilen kann

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